Games Over

24. August 2008

Wo viel Licht ist ...
Wo viel Licht ist ... 

Das war's dann. Ich komme gerade von der Schlussfeier und es ist wahr: die Flamme ist erloschen. Da werde ich stark sentimental. Aber zum Glück gibt's immer schon den Ausblick auf die nächsten Spiele und, he, wenn die so rocken wie Jimmy Page und Leona Lewis, dann wird was los sein. Ich bin echt vom Plastiksitz gesprungen, als der Alte losgelegt hat. Und da hat es mich definitiv nicht gestört, dass der Stadionklang sehr laut war.

Zum Schluss haben sich die Chinesen wieder selbst übertroffen. Ich meine nicht die Show. Das konnte man erwarten. Nein, extra zur Schlussfeier schließt man eine komplette U-Bahn-Station. Die Busse, mit denen wir sonst immer gefahren sind, sind gecancelled. Dafür steige ich jetzt auf der anderen Seite in einen anderen Bus, die Tasche wird kontrolliert und die Fahrtroute ist eine neue (das Ziel allerdings das selbe wie immer). Ich sehe viel mehr Polizisten und sonstiges Abschreckungspersonal. Schade, ich hatte gedacht, man macht sich ein wenig lockerer. Nein, hier ist man sehr angespannt. Am Security Check werde ich abgefilmt, aber da ich heute ausnahmsweise mal als ich selbst im Stadion bin, darf ich passieren. Man wird dann wie am Flughafen abgetastet und heute fand ich das etwas ruppig. Vergessen wir das. Morgen Nacht geht unser Flieger. Ein Zimmer können wir bis Abends noch belegen, aber zum Schreiben werde ich wohl nicht mehr kommen. Verabschieden will ich mich noch nicht, denn ich werde die nächsten Tage noch ein wenig weiterschreiben. Heute aber schon ein erstes Fazit mit einer geklauten Headline:

Same, same, but different

Die 16 olympischen Tage von Peking sind Geschichte. Und wie war’s nun? Ich hatte gesagt, egal was wir uns vorstellen, es würde anders werden. War es natürlich auch, aber nicht so offensichtlich.

Die olympische Ästhetik, die Abläufe, die Organisation, die Logistik sind immer gleich. Wenn ich Bilder von den Wettkampfstätten oder den Volunteers von Athen und Peking nebeneinander stellen würde, dann würde der Unterschied nicht auffallen. Außerdem hatten wir unseren sportlichen Schwerpunkt auf Hockey gelegt und die Turniere verliefen ähnlich. Am Schluss sprang jeweils eine Goldmedaille heraus und wir konnten feiern.

Auch sonst waren unsere Tage der spannende olympische Fan-Mehrkampf. Wir waren aufgeregt und aufgedreht, angespannt und nervös, mutiger als sonst, übermüdet, angeschlagen, mir war oft zu heiß (Silvi selten), wir sind nass geworden. Wir haben Peking kreuz und quer befahren, unterirdisch, oberirdisch, mit Bus, U-Bahn und Taxis, zu jeder Tageszeit und stundenlang. Wir haben gelernt, die besten Wege zu finden. Wir haben uns an die chinesische Küche gewagt, uns beinahe daran gewöhnt, aber so gut wie beim ersten Mal wurde es nie wieder. Wir haben ein paar Chinesen glücklich gemacht, indem wir uns mit ihnen haben fotografieren lassen, mit ihnen gesprochen haben aber wahrscheinlich auch, weil wir einfach nur da waren. Gestern nach dem Hockeyendspiel haben wir uns von den Volunteers verabschiedet und auch von den Polizisten, die normalerweise kaum eine Miene verziehen, und selbst die haben zum Abschied gelächelt und „Bye bye“ gerufen.

Und damit bin ich bei dem, was anders war, zunächst gemessen an Athen. Anders als die Griechen haben sich die Chinesen in ihr Olympia hineinbegeistert, Olympia gelebt. Sie haben von den meisten Sportarten keine Ahnung, aber sie waren sehr entschlossen, ein chinesisches Sommermärchen zu feiern. Sie haben sich gesteigert, nicht bei der Sachkenntnis, aber am Ende waren die Gesichter bemalt, aus Fähnchen wurden Flaggen, sogar die Welle ging mit ein wenig Anlaufschwierigkeiten durchs Stadion. Nur bei den Schlachtgesängen – wo Kreativität gefragt ist – hapert es noch. Doch selbst das am Anfang streng organisierte Jia you wurde mit der Zeit spontaner.

Noch etwas ist anders: in Athen war die Spannungskurve ansteigend, hier in Peking abfallend. Selbst das Hockeygold vermag daran nichts zu ändern. Oder ist vielleicht sogar ein Grund dafür, weil es möglicherweise doch erwartet wurde. Meine Kennzahl für diesen Spannungsabbau sind die Zugriffe auf dieses Tagebuch, denn die gingen zunächst sprunghaft hoch und fielen ab der Hälfte ab. In Athen war es genau umgekehrt.

2004 war ich gefühlter Olympiasieger, 2008 freue ich mich für Niklas und Markus. Das ist ein großer Unterschied. Ist aber wahrscheinlich OK so, denn Athen lässt sich nicht wiederholen, das war von Anfang an klar. Im Kopf. Aber wer fährt schon mit dem Kopf zu Olympia?

 
 
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